Friedel Albrecht Marcuse
Friedel Albrecht Marcuse | ||
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Geburtsname | Friedel Albrecht Marcuse | |
Alternativname(n) | Albrecht Marcuse, Ralf Marbot, Ralph Marbot, Rolf Marbot | |
Geboren | 28. Mai 1906 | |
Geburtsort | Breslau, Polen (damals Deutsches Reich) | |
Gestorben | 22. August 1974 | |
Sterbeort | Cannes, Frankreich | |
Beruf(e) | Musikverleger, Komponist, Arrangeur, Liedtexter, Begleiter, Jurist | |
Gattung(en) | Literatur, Musikliteratur | |
Werk(e) | alphabetisch, nach Entstehungsjahr | |
Karriere | 1927 bis 1973 | |
Verlag(e) | Editions Méridian (1934/36-1944), Nouvelles Editions Méridian (1944), SEMI (1948) |
Friedel Albrecht Marcuse, besser bekannt unter seinem Pseudonym Rolf Marbot[1], entstammte einer jüdischen Immigrantenfamilie und wuchs in Breslau auf. Während seiner Schulzeit intressierte er sich für Musik und Tennis - er war schlesischer Juniorenmeister. Seine Eltern, die aus Ungarn einwanderten, gerieten während der Inflationszeit in finanzielle Nöte. Nach Abschluss der Grundschule studierte er Rechtswissenschaften und dissertierte 1930 über Die Stellung des nicht rechtsfähigen Vereins im Erbrecht und Zivilprozessrecht. Während seines Studiums trat er unter seinem Künstlernamen Rolf Marbot als Barpianist auf und begleitete Operettenaufführungen am Klavier. Statt einer Praktikantenstelle bei einem Rechtsanwalt absolvierte er eine Lehre[2] bei einem Musikverlag. 1929 trat er eine Stelle als juristischer Berater und Mitarbeiter beim Anton J. Benjamin Musikverlag in Berlin an. Als Autor und Komponist widmete er sich in den 1930er Jahren dem Schlager und der Filmmusik. Häufig in Zusammenarbeit mit Berthold Reisfeld (Pseudonym Hannes Reimer). Mein kleiner grüner Kaktus zählte zum Repertoire der Comedian Harmonists, einem Berliner Vokal-Ensemble der Zeitspanne 1927 bis 1935. In der NS-Zeit bis 1938 entstanden rund 300 Werke, die er als Liedtexter, Komponist oder in Zusammenarbeit mit anderen Musikern verfasste. Aufgelistet wird das Werkeverzeichnis in einem Entschädigungsantrag (Bl. D2-D23)[3].
Aufgrund seiner jüdischen Abstammung floh er nach der Machtergreifung Hitlers 1933 nach Frankreich. In Paris gründete er mit Berthold Reisfeld und seinem Schulfreund Rodolfo Hahn (übersiedelte 1933 nach Budapest) zwischen 1934 und 1936 den Musikverlag Editions Méridian, mit dem er vorwiegend populäre, traditionelle und folkloristische Chansons publizierte, darunter auch Erfolgsschlager wie Les roses blanches basierend auf dem Text von Berthe Sylva (1885-1941) aus dem Jahr 1926, vertont durch Léon Raiter (1893-1978) und Charles-Louis Pothier (1881-1962).
Trotz seines französischen Wohnsitzes geriet Marbot zu Kriegsbeginn erneut in eine bedrohliche Situation. In der antisemitischen Zeitschrift Das Deutsche Podium erschienen diffamierende Artikel[4][5], die sich gegen den Import seiner Schlager nach Deutschland richteten. Zu Kriegsbeginn wurde er zunächst interniert. Im Dezember 1939 trat er der Französischen Fremdenlegion bei. Das antisemitische Schmierblatt Das Deutsche Podium kommentierte 1940 in einem Artikel sogar seinen Beitritt zur Legion[6]. Im Oktober 1940 wurde Marbot demobilisiert und kehrte nach Frankreich zurück. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er sich fortan mit dem Verkauf von Noten und geringfügigen Tantiemen die er von der SACEM und Société pour l'administration du droit de reproduction mécanique (SDRM) erhielt. Aus Angst vor Repressalien tauchte er zwischen 1942 und 1944 in die Illegalität ab. Mit falschen Papieren unter dem Namen Louis Sandret in Lyon und später in Pralognan-la-Vanoise in den französischen Alpen. Seinen Musikverlag übergab er den Bachelet frères, während er als Barpianist ein bescheidenes Leben führte.
Nach dem Vormarsch der alliierten Truppen kehrte er 1944 nach Paris zurück und führte seinen Musikverlag fortan unter dem Namen Nouvelles Editions Méridian weiter. Mit der Gründung des Musikverlags Société d'Edition Musicale Internationale (SEMI) 1948 schloss er einen Partnervertrag mit dem US-amerikanischen Musikverleger Ralph Peer (1892-1960), wodurch er als Vertriebsgesellschaft das Repertoire von Southern Music in Frankreich übernahm, während Peer einen Teil von Marbots Katalog in den USA verbreitete.
1952 stellte Marbot einen Entschädigungsantrag (Bl. M44-M45)[7] an das Land Berlin. Sein Begehren wurde 1960 in einem Vergleich gutgeheissen. Unter dem Namen Edition Marbot eröffnete er 1958 eine Filiale seines Verlags in Hamburg. Zum Repertoire zählten hauptsächlich französische und lateinamerikanische Schlager sowie Unterhaltungsmusik ab den 1920er Jahren. Zu den Komponisten, Autoren und Interpreten, die Marbot förderte, zählten:
- Francis Lopez (1916-1995),
- Hubert Giraud (* 1920),
- Charles Dumont (* 1929),
- Norbert Glanzberg (1910-2001),
- Georges van Parys (1902-1971),
- Léo Ferré (1916-1993),
- Jean Dréjac (1921-2003),
- Franck Gérald (* 1928),
- Boris Vian (1920-1959),
- Michel Rivgauche (eigentlich Mariano Ruiz, 1923-2005),
- Georges Aber (* 1932),
- Jacques Brel (1929-1978),
- Pierre Delanoë (1918-2006),
- Dalida (eigentlich Iolanda Cristina Gigliotti, 1933-1987),
- Tino Rossi (1907-1983),
- Michel Polnareff (* 1944),
- Édith Piaf (1915-1963) und
- Yves Montand (eigentlich Ivo Livi, 1921-1991).
Neben seiner Karriere als Musikverleger war Marbot als Arrangeur, Liedtextdichter und Komponist tätig. Ausserdem Vorsitzender der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM, von 1956 bis 1973 Präsident der Chambre Syndicale des Editeurs de Musique Légère (CSDEM) und Generalsekretär der Société des Droits de Reproduction mécanique (SDRM). Marbot ist Namensgeber des Musikpreises Prix Rolf Marbot, der jährlich von der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM verliehen wird.
Am 22. August 1974 starb Rolf Marbot in Cannes, ohne testamentarisch einen Erben benannt zu haben. Seine beiden Musikverlage wurden 1979 vom US-amerikanischen Independent-Musikverlag Peermusic übernommen.
Einzelnachweise
- ↑ Biografie im Personenlexikon des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg
- ↑ Sophie Fetthauer: Musikverlage im Dritten Reich und im Exil, Seite 487, hrsg. Von Bockel Verlag, 2004
- ↑ Entschädigungsbehörde Berlin, Landesverwaltungsamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abt.1, Entschädigungsakte Rolf Marbot (Albrecht Marcuse) (Aktenzeichen 65.984)
- ↑ Artikel über Judenmusik in der Zeitschrift Das Deutsche Podium, Jg. 5, Nr. 20, 21. Mai 1937, S. 19-20
- ↑ Artikel: Warnung! Wiener Juden-Verlag hat deutschen Vertreter in Breslau! in der Zeitschrift Das Deutsche Podium, Jg. 5, Nr. 7, 19. Febr. 1937, S. 21.
- ↑ Artikel: Musikalische Emigration in Nöten in der Zeitschrift Das Deutsche Podium, 8. Jg, Nr. 12, 22. März 1940, S. 2
- ↑ Entschädigungsbehörde Berlin, Landesverwaltungsamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abt.1, Entschädigungsakte Rolf Marbot (Albrecht Marcuse) ([1])